Hausgeschichten in Einbeck

In den vergangenen Jahren ist die Region Südniedersachsen mit neuen Wandlungsprozessen konfrontiert: dem demografischen Wandel, der junge Menschen abwandern lässt und dem Strukturwandel im Einzelhandel, der zu einem zunehmenden Erfolg des Onlinehandels führt.
In der Folge fallen Läden und Wohnungen leer.

Hier setzt die Bürgerinitiative Sch(l)aufenster an, spricht mit den Eigentümern und belebt leerstehende Schaufenster mit Informationen von lokalen Vereinen und Akteuren. Dies ist eine sinnvolle Übergangsnutzung, bis sich neue Mieter finden oder bis der Eigentümer kleinere oder größere Renovierungen durchgeführt hat, die die Wiedervermietung oder Umnutzung erleichtern.

Kunst-Apotheke Neuer Markt 9

Unter der Adresse Neuer Markt 9 hat vor einiger Zeit die Kunst-Apotheke eröffnet. Sie entstand in der ehemaligen Sonnen-Apotheke, die zuvor zunächst leer stand und danach mit einem Sch(l)aufenster der Marinekameradschaft gestaltet war.

Auf der Suche nach einer Galerie, in der die Kunstinitiative Young Art Einbeck die Werke ihrer Graffitikünstler präsentieren kann, war das Einbecker Kulturbüro auf den Eigentümer der ehemaligen Sonnen-Apotheke zugegangen.
Wie sich herausstellte, waren u.a. Gründe für den Leerstand unklare Abtrennungsverhältnisse mit dem Nachbarhaus und die Tatsache, dass der Eigentümer nicht in Einbeck wohnt und aus der Ferne schwer Abhilfe schaffen konnte.

Das Kulturbüro bot ihm seine Hilfe an und regelte vor Ort zunächst baulich die Trennung vom Nachbarhaus.
Derzeit werden zwei Wohnungen in oberen Etagen, dem ehemaligen Labor und im Dachgeschoss, revitalisiert, die dann vermietet werden können.

Die Kunst-Apotheke ist ein Beispiel, wie mit Kommunikation, Nachbarschaftshilfe, einfachen Sanierungsmaßnahmen und kreativen Ideen Leerstand beseitigt werden kann.

Hausgeschichte

Das Haus Neuer Markt 9 ist ein Stahlbetonskelettbau, der entstand, nachdem das Vorgängergebäude, ein verputztes Fachwerkhaus mit Laden und Sandsteineindeckung, im Jahr 1959 wegen Baufälligkeit abgebrochen werden musste. Der damalige Eigentümer nutzte den Neubau als Apotheke.

Bis Ende 2017 war die Sonnen-Apotheke fester Bestandteil der Einbecker Geschäftswelt.

Knochenhauer Straße 5

24 Jahre lang haben Erika Wagner und ihr Mann Gerhard in Einbeck eine Fahrschule betrieben. Ganze Generationen Fahrschüler haben unter ihrer geduldigen Anleitung das Fahren gelernt.
Dazu haben die beiden, die ursprünglich aus Nienburg an der Weser stammten, 1971 das Haus in der Knochenhauer Straße 5, an der Ecke zum Hallenplan gekauft und nach ihren Bedürfnissen umgestaltet.

Im Erdgeschoss zog die Fahrschule ein: ein Büro und ein großer Raum für den Theorieunterricht – darüber lag die Wohnung des Ehepaares auf zwei Etagen. Als sie aus gesundheitlichen Gründen den Betrieb einstellen mussten, führte ihr Mitarbeiter Michael Hoffmann die Fahrschule weiter, bis er sie 2008 schloss.

In der Nachfolge wurde die Gewerbefläche vom Süßen Kaufhaus zum Verkauf von Süßwaren genutzt.

Von 2014 bis 2018 stand der Laden leer und Erika Wagner bot ihre drei Schaufenster der Bürgerinitiative Sch(l)aufenster zur Gestaltung an.
So wurde die Knochenhauer Straße 5 zum ersten Sch(l)aufenster in Einbeck und diente dem gegenüberliegenden Spielwarengeschäft und zwei regionalen Künstlerinnen als Ausstellungsfläche.

Wurden sich schnell einig: Eigentümerin Erika Wagner und Uhrmachermeister Frank Kurzidim sind beide sehr zufrieden mit dem getroffenen Arrangement.

Als die Eigentümerin 2018 eine Wanduhr in ihrem Wohnzimmer reparieren lassen wollte, kam Uhrmachermeister Frank Kurzidim zu ihr ins Haus. Der leerstehende Laden in günstiger Lage am Hallenplan in unmittelbarer Nachbarschaft zur Marktstraße und dem Marktplatz interessierte ihn für sein Geschäft Time & Design, das er mit seiner Frau Tanja betreibt.

Der Laden verfügt über günstige Standortbedingungen, ist an die Fußgängerzone angeschlossen und von vergleichsweise dichtem Geschäftebesatz und Gastronomie umgeben. Eigentümerin und zukünftige Mieter wurden sich schnell einig: Bei einem moderaten Mietzins konnten die neuen Mieter den Laden nach ihren Vorstellungen mit viel Eigenleistung modernisieren und ihn in ein helles, zeitgemäßes und einladendes Uhren- und Schmuckgeschäft verwandeln, das bei der Kundschaft sehr beliebt ist.

Die Ecklage mit den drei Schaufenstern lässt viel Licht in das Juweliergeschäft und bietet reichlich Platz in der Auslage.

Hausgeschichte

Der Kern des Hauses ist Mitte des 16. Jahrhunderts als Ständerbau mit starken Vorkragungen entstanden und wurde über die Jahrhunderte mehrfach umgestaltet und angebaut. Ein historischer Keller unter dem westlichen Anbau war zunächst Braukeller für das Hausbrauen, später Futterkeller. Im 18. und 19. Jahrhundert gab es Nebengebäude, die als Ställe und Scheunen dienten. Das Ladenlokal wurde 1924, 1939 und 1963 in drei Stufen um- und ausgebaut.

Altendorfer Straße 40 und 42

Mathias Cortnum ist Bausachverständiger. Privat hat er sich zwei nebeneinanderliegende Fachwerkhäuser in der Altendorfer Straße gekauft.

Beide haben in der Vergangenheit kleinere Gastronomiebetriebe im Erdgeschoss beherbergt und standen zuletzt leer. In Hausnummer 42 musste der neue Eigentümer vor allem die Erdgeschoss-Gewerbefläche zunächst vollständig bis auf die historischen Balken entkernen und eine sinnvolle neue Einteilung für Wohnraum entwickeln. Das ehemalige Schaufenster wurde entfernt und entsprechend der Balkenlage durch 2 Fenster ersetzt. Heute ist das Haus nach historischem Vorbild vollständig saniert und in 2 moderne Wohnungen mit viel individuellem Charme verwandelt. „Man braucht natürlich auch die richtigen Mieter,“ weiß der Eigentümer. „Wer eine klare Raumstruktur und einfache Linien sucht, wird diese Wohnungen nicht mieten, sondern einen Neubau bevorzugen.“

Als Architekt und Liebhaber von Fachwerkhäusern besitzt er ein großes Grundverständnis für die Konstruktion von Fachwerkgebäuden und konnte daher für das Gebäude den optimalen Innenausbau für individuelle und dennoch moderne Wohnzuschnitte umsetzen. Die Berücksichtigung aller denkmalrechtlichen Vorschriften war für ihn selbstverständlich.

Das Nachbarhaus mit der Hausnummer 40 ist ebenfalls bereits entkernt bis auf die historischen Balken. Ein unter einem Teil des Gebäudes liegender denkmalgeschützter Keller sorgt unter anderem für unterschiedliche Raumniveaus im Erdgeschoss, dafür scheint die Dachgeschosswohnung vom Zuschnitt ganz klar zu sein.

„Wir haben im Inneren Gipskartonplatten entfernt und dahinter ältere Balken gefunden, als wir erwartet haben. Sie waren in überraschend gutem Zustand,“ erklärt Cortnum. Er beschreibt damit die erhöhte Wahrscheinlichkeit dafür, dass man bei der Sanierung in einem historischen Gebäude auf Überraschungen stößt und manchmal flexibel umdenken und -planen muss.

Sanierung und Umgestaltung des Gebäudes mit der Hausnummer 40 haben mit Entkernung, Freilegung, Planung, Fassadensanierung begonnen. Dass die Grundstücke nebeneinander liegen, erleichtert die Nutzbarkeit der Hoffläche als Stellplätze für die Mieter und den Zugang zum Haus von der Rückseite aus.

Zahlreiche Nebengebäude wurden abgetragen. Die Objekte schließen an die bereits vor ca. 10 Jahren grundsanierten Gebäude Nr. 34, 36 und 38 an. Damit ergibt sich eine umfängliche Aufwertung des Quartiers.

Es zeigt sich, dass auch an einer vergleichsweise stark befahrenen Straße durch kluge Sanierung nicht mehr benötigte Gewerbeflächen zukunftsgerichtet zu qualitätvollem innerstädtischen Wohnraum umgewandelt werden können.

Beide Gebäude von Mathias Cortnum liegen im Sanierungsgebiet „Neustadt-Möncheplatz“. Die denkmalgerechte Sanierung konnte in Abstimmung mit der Denkmalbehörde der Stadt Einbeck mit Mitteln aus der Städtebauförderung unterstützt werden.

Weiterhin konnten die Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) genutzt werden und es kommen erhöhte Abschreibungen im Rahmen der Einkommenssteuer zum tragen.

„Trotz der Unterstützung macht man mit der Sanierung eines solchen baukulturellen Denkmals keinen Profit. Der Mietspiegel der Stadt Einbeck ist dafür insgesamt zu niedrig.

Deshalb braucht man außerdem ein wenig Idealismus und den Wunsch ein schönes Haus zu besitzen,“ erklärt Cortnum.

Hausgeschichte

Das Haus Nr. 40 ist in der Mitte des 17. Jahrhunderts als Wohngebäude errichtet worden. Erst in den 1960iger Jahren wurde durch Umbauten eine Gastronomiefläche im Erdgeschoss eingerichtet, die nun wieder rückgebaut werden soll. Der Dachboden, der zunächst als Speicher entstanden ist, wurde in den 1960iger Jahren zu einem Wohngeschoss mit Dachgauben ausgebaut.

Das Nachbarhaus Nr. 42 ist vermutlich das älteste Haus in der Nachbarschaft und stammt aus dem 16. Jahrhundert. Es ist zur Straßenseite in Ständerbauweise mit Vorkragungen errichtet worden und zur Rückseite in Geschossbauweise. Auch dieses Haus wurde zu Wohnzwecken errichtet und erst 1910 vom Kaufmann August Brecht zu einem Ladenkokal umgebaut. 1964 erfolgte die Einrichtung einer Gaststätte.

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